von Buddenbrock - Das Verhältnis von Politik und Finanzberatung
Maureen Stum

Das Verhältnis von Politik und Finanzberatung

Baustellen bei der privaten Altersvorsorge oder eine nicht ausreichende Aufklärung über die Versorgungslücke durch die gesetzliche Rente: Verschiedene Beispiele, nicht nur der jüngsten Vergangenheit, veranschaulichen, dass die beiden Bereiche Politik und Finanzberatung nicht harmonieren. Im Interview mit Stephan Seidenfad, Geschäftsführer und bAV-Experte der von Buddenbrock Unternehmensgruppe, sprechen wir über Unstimmigkeiten, Lösungsansätze und diskutieren die Frage, warum die Verantwortlichen der Politik nicht wissen, was sie tun.

In diesen Bereichen harmonieren Politik und Finanzberatung nicht

Stephan, „Die Verantwortlichen der Politik wissen nicht, was sie tun“ ist eine provokante Aussage. Kannst du deinen Gedanken ausführen?

Stephan Seidenfad: „Fangen wir ganz vorne an, mit Banalitäten. Wir möchten uns damit auseinandersetzen, in welchen Bereichen Politik und Finanzberatung nicht harmonieren. Im Zuge der letzten Wahlen und des Koalitionsvertrags zur Verhandlung der Ampel wurde ein Thema heiß diskutiert: die Abschaffung der Provisionsberatung. Die Alternative sollte eine stufenweise Überführung zur Honorarberatung sein. Wo ist der Fehler im System? Der Gedanke, dass die Honorarberatung die Beratungsqualität verbessert, halte ich für falsch. Wichtiger ist noch, dass ich mit der Abschaffung ein gesellschaftliches Problem erzeuge. Das können wir feststellen, wenn wir ins europäische Ausland schauen.“

Was würde die Abschaffung der Provisionsberatung für die Bevölkerung bedeuten?

Stephan Seidenfad: „Wenn ich diese Option ausschließen würde, hätten arme Menschen keinen Zugang mehr zu einer Finanzberatung. Das bedeutet gleichzeitig: In diesem Fall wäre der Staat in der Pflicht, Verantwortung zu übernehmen, zum Beispiel für Einkommenssicherung und Altersvorsorge. Wenn die adäquate Vergütung nicht mehr umsetzbar ist, weil es vielleicht große Bevölkerungsschichten gibt, die sich eine Vorauszahlung oder eine Bezahlung auf Rechnung eines professionellen Beraters nicht mehr erlauben können, dann würden wir ähnliche Szenarien sehen wie in England.

Dann müssten sich Normalverdiener selbstständig online mit der Thematik auseinandersetzen. Der Zugang zu einer guten Beratung wäre so nur noch für Besser- oder Top-Verdiener möglich. Das kann nicht im Sinne des Erfinders sein. Darüber sollte nochmal nachgedacht werden.“

Die gesetzliche Rente: ein leeres Versprechen?

Wie sieht es mit der gesetzlichen Rente aus?

Stephan Seidenfad: „Das ist eines meiner Lieblingsthemen. Norbert Blüm sagte in den 80ern den wichtigen Satz: ´Die Rente ist sicher.´ Er meinte die gesetzliche Rente. Gelogen hat er dabei nicht. Dass es eine gesetzliche Rente geben wird, auch für die heute jungen Generationen, da bin ich mir sicher – solange es kein einschlägiges Ereignis geben wird auf der Welt. Hier würde ich seinen Satz unterstreichen. Er meinte damals aber auch, dass ebenfalls die Qualität der Rente sicher ist. Dem muss ich widersprechen. Die Demokratie tut sich wahnsinnig schwer, ehrlich mit der Bevölkerung zu kommunizieren.

Hast du dafür ein konkretes Beispiel?

Stephan Seidenfad: „Wir haben gerade die Debatte: Rente bis 70. Allerdings tun die Verantwortlichen so, als wäre es eine Frage. Dabei wird es keine Frage sein. Die fairen Fragen müssten lauten: Gibt es Berufe, in denen Arbeitnehmer bis zu einem Alter von 70 Jahren arbeiten können? Wie geht man mit Arbeitnehmern um, die aufgrund ihres gesundheitlichen Zustandes oder ihrer persönlichen Leistungsfähigkeit nicht bis zu einem Alter von 70 Jahren arbeiten können? Hier müssen soziale Ideen entwickelt werden, die genau diesen Menschen helfen.

Fakt ist: Die Menschen leben länger, wir haben einen Fachkräftemangel, wir haben zu wenig Kinder, wir haben zu lange Ausbildungszeiten. Auch die Idee des Generationenvertrages kann nicht funktionieren. Um das zu wissen, muss man kein Mathegenie sein. Immer mehr junge Menschen benötigen mehr Zeit für ihre Ausbildung und auch die Work-Life-Balance gewinnt zunehmend an Bedeutung. Gleichzeitig gibt es aber immer mehr ältere Menschen. Ich frage mich, wer das auffangen soll. Insofern wird sich die Frage, zum Beispiel nach der Rente mit 70 oder nach der privaten Rentenvorsorge, gar nicht stellen. Die Politik schließt nur die Augen und ignoriert die Forderungen, etwas zu tun.“

Wie könnte ein Lösungsansatz aussehen?

Stephan Seidenfad: „Es braucht eine Systematik oder eine klare Stärkung von privatem und betrieblichem Arrangement, um noch zum Ziel zu kommen. Sonst wird die Rente sicher sein, aber auch sicher sehr niedrig.“

Die politischen Baustellen der privaten Vorsorge

Wo sind die politischen Baustellen in der privaten Vorsorge?

Stephan Seidenfad: „Hier habe ich ein Thema, dass mit Heuchelei zu tun hat. Du musst dir Folgendes vorstellen: Wir tun so, als hätten die Verantwortlichen unserer Regierung ein ungefähres Verständnis von den Strukturen unseres Landes. Dadurch, dass sie viele teure Berater aus guten Beratungshäusern beschäftigen, wissen sie, dass wir unter anderem ein Renten-Problem und ein Einkommensabsicherungs-Problem haben.

Nun könnten sie den Bürgern empfehlen, privat und betrieblich etwas zu tun, weil die gesetzliche Rente nicht ausreichen wird. Auch für den Fall der Berufsunfähigkeit wäre es hilfreich, die Bürger darauf aufmerksam zu machen, dass ihre finanziellen Möglichkeiten in diesem Fall erst recht nicht ausreichen werden. Sie also auch privat etwas tun müssen.“

Warum beraten die Verantwortlichen der Politik dort hingehend nicht? Was ist das Problem?

Stephan Seidenfad: „Diese Empfehlungen würden jedoch im Widerspruch stehen mit den politischen Empfehlungen des Verbraucherschutzes. Aus dieser Richtung wird des Öfteren gewarnt vor unseriösen Finanzberatern und den Gefahren der Branche. Dem würde ich nicht widersprechen. Hier ist ein bisschen Zynismus drin. Es gibt sicherlich auch viele schlechte Finanzberater, was die Verantwortlichen aber mit Regeln sehr gut regulieren könnten.

Das passiert aber nicht, weil sie wissen, dass man ohne Verkauf und Beratung nicht zu einer Absicherung kommt. Dieses Kaufen muss allerdings auch einen Anreiz haben, weil Finanzprodukte für den Kunden nicht sexy sind. Einerseits verflucht die Politik Finanzberatungen, andererseits weiß sie aber, dass sie benötigt werden. Genau das ist für mich Heuchelei und das müsste dringend abgestellt werden. Qualitativ muss schon länger nachgebessert werden in der Branche. Dafür könnte die Politik schon längst gesorgt haben.“

Die fehlende Informationspolitik in der betrieblichen Altersvorsorge

Betrifft das auch die betriebliche Altersvorsorge?

„Ja. Im Zuge des Betriebsrentenstärkungsgesetzes gab es vorab Befragungen, in denen es darum ging, wie Betriebsrente sein müsste, damit sie besser funktioniert. Außerdem fertigte ein großes Wirtschaftshaus ein Gutachten an. Es gab damals aus dem Mittelstand eine Initiative, die auch in Richtung Bundesarbeitsministerium steuerte. In dieser wurde gefordert, gesetzliche Schärfungen durchzuführen, mit Vorurteilen aufzuräumen und Arbeitgeber in die richtige Richtung zu schubsen, damit sie sich mit dem Thema beschäftigen und informieren.

Es gibt mittlerweile für Firmen gute Fördermöglichkeiten. Trotzdem verfügen in den meisten Firmen nur 10 Prozent über eine Betriebsrente. Das liegt nicht daran, dass die Thematik langweilig ist. Es gibt schlicht keine klare Informationspolitik.“

Gibt es Maßnahmen, die die Verantwortlichen der Politik gerade dagegen ergreifen?

„Die Verantwortlichen debattieren momentan über viele Wege, wie die Betriebsrente besser gestaltet werden kann. Der einfachste Weg, es besser zu machen, wäre, einen höheren Konsens zu Beratungs-Erforderlichkeiten und Informations-Offensiven zu starten. Viele Menschen sind nicht ausreichend informiert, weil Finanzen nicht in Schulen gelehrt werden. Gerade bei komplexen Finanzthemen macht es keinen Sinn, sich selbstständig durch die Wüste zu kämpfen.“

Verbraucherschutz & Bürokratie: eine Gefahr für die Transparenz

Was fällt dir ein zum Thema Verbraucherschutz?

„Bei dem Thema Verbraucherschutz bin ich sofort bei Bürokratie. Das eine Thema ist, dass der Staat seinen Verpflichtungen nicht nachkommen kann, die Bürger ausreichend zu versorgen. Das liegt in der Natur der Sache und an dem Generationsvertrag. Gleichzeitig merkt der Verbraucherschutz an, dass 99,9 Prozent der Finanzberater gefährlich sind. Hier sind wir wieder bei der Heuchelei. Natürlich ist es vorab ratsam, den Berater zu prüfen. Das ist der erste Punkt.

Zum zweiten Punkt fällt mir ein banales Beispiel ein: Ich hatte in der Vergangenheit einen Kunden, der eine private Rentenversicherung abschließen wollte – unabhängig von der Firma. Zur Aufklärung bekam er 142 Seiten. Da frage ich mich, wie es dem Verbraucherschutz hilft, wenn ich mit diesem Papierkrieg nur das Gegenteil erzeuge. Nämlich, dass sich der Kunde die Seiten nicht durchliest und den Vertrag nur unterschreibt, weil er seinem Berater vertraut. Das ist kein Verbraucherschutz. Das ist, wenn man nicht digital gearbeitet hat, Baumvernichtung. In der heutigen digitalen Welt ist es Datenmüll. Man muss die Art des Transports und der Transparenz auf ein anderes Level heben. Anderenfalls tue ich nur so, als könnte ich mit Papiermengen Verbraucherschutz generieren.“

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Stephan Seidenfad

Geschäftsführer und Gründer Experte für die Themengebiete: bAV, Recht & Steuern, kAV, Digitale Lösungen und Absicherung

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